Die notwendige rechtliche Regelung des Strafvollzuges wurde im Herbst 1967 eingeleitet. Bundesjustizminister Gustav Heinemann rief eine Kommission ein, die die rechtliche Grundlage erarbeiten sollte. Justizverwaltungen begannen bereits 1969 grundsätzliche Neuerungen aus dem noch nicht fertigen Gesetz für Urlaub und Ausgang etc. umzusetzen. Am 03.02.1971 konnte die Kommission einen ersten Entwurf des Strafvollzugsgesetzes vorlegen. Noch im März 72 stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass die Rechte eines Gefangenen nur durch ein Gesetz eingeschränkt werden dürfen, um ihn vor Einschränkungen nach Belieben zu schützen. Es entstehen drei Entwürfe mit verschiedenen Schwerpunkten. Gemein ist bei Allen die Stärkung der Resozialisierung.

Nach vielen Diskussionen um die Strafvollzugsreform wurde das „Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung“ (StVollzG) 1976 verabschiedet. Am 01.01.1977 tritt das bundeseinheitliche StVollzG mit zwei richtungsweisenden Paragraphen in Kraft:

Pfeil § 2 Aufgaben des Vollzuges:

Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.

Pfeil § 3 Gestaltung des Vollzuges:

(1) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden.
(2) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.
(3) Der Vollzug ist darauf auszurichten, daß er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.

Das Gesetz wurde durch Verwaltungsvorschriften und Übergangsregelungen der einzelnen Bundesländer ergänzt.

Das Nadelöhr der Hamburger Straße

Zeitungsartikel über die Lösung der Geländeprobleme Quelle: Stadtarchiv Stadt Dortmund

Da das Justizministerium am alten Standort festhielt, begünstigt durch die direkte Lage an Amts- und Landgericht, wurde die Idee eines Neubaus in Dortmund-Kurl schnell verworfen. An dem vorhandenen Standort wurden dadurch Abriss- und Umbauarbeiten unumgänglich. Durch den in die Hamburger Straße hineinragenden Teil der Anstalt war die Verkehrssituation eine Katastrophe. Auch begann die Stadtwerke um 1961 die Bahntrasse von der Kaiserstraße in die Hamburger Straße zu verlegen. Ziel war es, der Einbahnstraßenregelung der Kaiserstraße zu entgehen. Die Verlegung der Schienen in die Hamburger Straße erschwerte die Verkehrssituation vor der Anstalt zusätzlich. Wenn der Brotwagen aus Werl kam, musste die Straße für die Einfahrt des LKW immer gesperrt werden. Ein doppeltes Ärgernis. Auch waren die zur Hamburger Straße liegenden Betriebe regelmäßig von Ausbrüchen betroffen. Ein spektakulärer Ausbruch war aus dem Matratzensaal. Ein Gefangener hangelte sich über die Aufhängung der Straßenbahn an die gegenüberliegende Pappel. Nur wurde er entdeckt und kam nicht mehr runter und der Auflauf behinderte die Hamburger Straße ewig. Die Anstalt war eben hier auch ein Risiko für die Justiz selbst. Bereits 1962 entstanden so Pläne für einen Teilabriss und zwei Neubauten. Die Idee des Jugendbaus, der Abteilung 8, wurde dringlicher denn jeh.

Damit die Situation der Hamburger Straße entspannt werden konnte, musste sie verbreitert werden und die Straße, wie der übrige Teil der Ost-West-Achse, vierspurig ausgebaut werden. Das Wirtschaftsgebäude mit ihrer preußischen Fassade steht jedoch im Weg. Die Stadt Dortmund begann mit dem Kauf der Nachbargrundstücke Lübecker Straße 13/15 (Besitzübertragung im August 1963 an die Justiz) und das Grundstück Ecke Gerichtsstraße und Hamburger Straße, um der Justiz Baufläche anzubieten. Die Stadt riss auf dem letzten Grundstück auch die dortigen Wohnhäuser vorbereitend ab. Diese Flächen sollten als Ersatz für den abzureißenden Teil der Anstalt dienen. Die Stadt investierte für diesen Zweck rund 1 Millionen DM. Am Ende war es, wie schon 1898, beabsichtigt die Grundstücke zu tauschen. Die Dienstwohnungen, die 1963 an die Justiz überschrieben wurden, brachten altbekannte neue Probleme mit sich. Die vorherigen Besitzer hatten Kriegsschäden unfachmännisch beseitigt. So waren Balkone einsturzgefährdet und Decken in Schieflage geraten. Eine teure und Jahre andauernde Kernsanierung der Dienstwohnungen werden die Folge sein.

Die Justizverwaltung war grundsätzlich mit einem entsprechenden Grundstückstausch einverstanden. Jedoch verlangte man eine hohe Entschädigungssumme von der Stadt, die die Stadtväter ablehnten. Die Stadt sollte demnach noch 3,2 Millionen DM aufbringen. Die Forderung des Justizministeriums führte in einen Streit – der Umbau wurde verzögert und die Situation an der Hamburger Straße schien unlösbar. Die Streitigkeiten verzögerten das Bauvorhaben von 1962 um 10 Jahre. Die Stadt ging, wie 1896, den Weg zur nächsthöheren Instanz und zeigte dem damaligen Landesvater eindrucksvoll auf einer Durchfahrt über die Hamburger Straße die unerträgliche Situation. Ein Schiedsgericht nahm sich dem Streit an und bleibt untätig, da die Landesregierung auf eine außergerichtliche Einigung drängte. Der Streit mündete darin, dass das Justizministerium die geforderte Summe nicht bekommt. Sie erhielt aber ohne Zusatzkosten 321 qm mehr Fläche durch den Tausch der Grundstücke. Die Geschichte hatte sich wiederholt, nur das die Stadt diesmal ein dickes Minusgeschäft mit den Grundstücken machen musste. Der Streit verzögerte den Baustart bis Mitte 1969.

Umsetzung des Umbaus

Abriss des Holzhofes vor dem neuen Wirtschaftsgebäude Quelle: Stadtarchiv Stadt Dortmund
Bild zeigt den abgerissenen Südflügel Quelle: Stadtarchiv Stadt Dortmund

Die Pläne für den Umbau veränderten sich mehrfach. Zunächst wurde die Ummauerung des alten Holzhofes mit den dort befindlichen Bauten abgetragen. Dann wurde das alte Wirtschaftsgebäude 1972 abgerissen. Das zuvor dahinter gebaute neue Wirtschaftsgebäude ersetzt dann die Aufgaben und verschaffte mit der neuen Umwehrung am Küchenhof die neuen Ausmaße des Komplexes. Mit dem Abriss des alten Wirtschaftsgebäudes verschwand auch die Dortmunder Richtstätte nicht nur baulich. Sie war fortan nicht mehr auf dem Grundstück der Anstalt. Heute gehen Bürgerinnen und Bürger unwissend über den nun darauf befindlichen Bürgersteig entlang der Hamburger Straße. Aufgrund vollzugsrechtlicher Vorschriften durften im Südflügel keine Gefangenen mehr untergebracht werden, da sie nun durch den Wegfall der Wirtschaftsgebäude an direkter Straßenlage untergebracht gewesen wären. In Folge dessen wurde dieser Haftbereich 1973 vollständig abgerissen. Der Blick auf die Haftraumtüren von der Hamburger Straße wurde frei und ein neuer Gebäudeteil wurde dort hochgezogen. Dieser Bereich bringt zukünftig Duschen, Büros, Freizeiträume usw. unter. Die Zellenfassade wurde mit Glasbausteinen und rotem Klinker ersetzt.

Die Flucht der Straße führte zu einer sich von Ost nach West verjüngenden Tiefe. Nur das neue Wirtschaftsgebäude war um ca. 1 Meter nach hinten versetzt und vom Geschosslevel um zwei Treppenstufen höher angelegt, um das Abwasser der Küche vorschriftsmäßig abfließen zu lassen. Um die Belegung der wegfallenden Zellen aufzufangen, zog die Verwaltung und die Kammer aus dem A-Flügel in das heutige Verwaltungsgebäude. 1975 wurde das alte baufällige Leichenhaus mitsamt dem Koksbunker auf dem Kontakthof beseitigt. Die Mittel aus dem Landesergänzungsprogramm kamen auch der alten Pforte zu Gute. Die Mauerkrone wurde egalisiert und begradigt. Die Giebelwand des Küchenhofs wurde im Zuge der Verschönerungen verputzt. Zuvor hatte man die ruinenhaft wirkende rote Ziegelsteinfassade nicht geschafft nach dem Krieg umzugestalten. Zugleich entstand der Zugang zum Amtsgericht auf dem Kontakthof und die im Volksmund bekannte „Jammerallee“ (Verbindungstunnel zum Landgericht) konnte wieder unterirdisch begangen werden, um Gefangene beim Landgericht vorzuführen. Im Mai 1975 wurde der Südflügel der Anstalt wieder nutzbar. Auch die Anstaltsbücherei zog aus dem heutigen Zahnarztraum an ihren heutigen Standort. 1979 wurde die Beobachtungskanzel Abteilung 7 nach einem komplizierten und aufwändigen Bauverlauf fertiggestellt.

Neubau Abteilung 8

Zeitungsausschnitt zum Neubau der Abteilung 8 Quelle: Stadtarchiv der Stadt Dortmund

Ein vermuteter Blindgänger auf dem Grundstück Ecke Hamburger Straße/Gerichtsstraße verzögerte den Beginn des Bauvorhabens für Abteilung 8 mehrfach. Es führte dazu, dass Teile des Haupthauses umziehen müssen, um nicht in der Gefahrenzone zu sein. Der Blindgänger zeigte sich als falscher Alarm. Baubeginn war dann endlich am 01.04.1980. Das Gebäude soll bis 1982 fertiggestellt sein. Mit dem Neubau sollte nun auch eine unterirdische Turnhalle gebaut werden. Auf dem darüber liegenden Innenhof entstand ein multifunktionaler Sportplatz. Die neue Abteilung wurde für den Vollzug der Freiheitsstrafe an männlichen Jugendlichen geplant.  Aus der Jugendabteilung wurde bekanntlich nichts. Die Abteilung 8 wurde 1985 beziehbar und erweiterte den Gefängnisbau um 74 Haftplätze und bot weitere Nebenräume. Der moderne Neubau bot Freizeiträume und Arbeitssäle. Die durch den Wegfall des alten Holzhofes entstandene Arbeitslosigkeit unter den Gefangenen wurde zumindest wieder deutlich abgemildert.

1985 war nicht nur die Fertigstellung der heute seitdem äußerlich unveränderten Anstalt. Dieses Jahr sollte auch eine grundlegende moderne Neuerung mitbringen. Bislang konnten sich Inhaftierte durch sogenannte Lichtrufe bemerkbar machen. Die Bediensteten sahen die Lichtrufe durch optische Anzeigen im Flur, so dass der Bedienstete wusste, in welchen Teil des Flügels er laufen musste. Die Inhaftierten wurden so direkt auf ihrem Haftraum aufgesucht. Diese bisherige Vorgehensweise war zeitraubend und im Notfall eine Gefahr. So wurde mit der Installation einer Erweiterung einer Rufanlage begonnen. Fortan sollte es möglich sein, die Lichtrufe der Inhaftierten vom Abteilungsbüro direkt anzunehmen und sogar mit ihnen, ähnlich eines Telefons, zu kommunizieren.

Die Gedenktafel

Gedenktafel an der Wand der JVA Dortmund Quelle: JVA Dortmund

Am 09.März 1978 hatte der Rat der Stadt Dortmund beschlossen, eine Dokumentation und Ausstellung über den Wiederstand und der Verfolgung in Dortmund während der Nazidiktatur durch das Stadtarchiv erarbeiten zu lassen. Die wissenschaftliche Aufarbeitung hatte auch eine Inventur mit Überarbeitung vorhandener Straßennamen, Gedenkstätten und Gedenktafeln zur Folge. Es kamen neue Gedenktafeln ins Spiel. Darunter auch die Gedenktafel an der Justizvollzugsanstalt Dortmund. Da die Anstalt im Besitztum des Justizministeriums ist, musste sich nun die Stadt mit dem Eigentümer auseinandersetzen, der sich mit den Aussagen und dem Standort der Gedenktafel nicht ganz einverstanden sehen sollte. 

1987 wandte sich die Stadt an das Justizministerium zwecks Genehmigung für das Anbringen der Tafel. Das Ministerium begrüßte zwar das Vorhaben an sich, äußerte jedoch Bedenken. Der Knackpunkt war der Begriff „Willkürjustiz“. Der Oberbürgermeister beauftragte so dann den zuständigen Historiker des Stadtarchivs, die Fakten durch konkrete Zahlen zu diesem Begriff zu untermauern. Auch der Anstaltsdirektor monierte den Zusammenhang zum Innenhof (faktisch stimmte dies nicht) und den Namen „Lübecker Hof“ auf der Tafel, da er den Ruf der Anstalt gefährdet sah. Im Februar 1988 teilte die Stadt mit, dass sie auf den Begriff „Willkürjustiz“ bestünde und empfahl dem Ministerium die rasche Annahme. Dies geschah so dann im März desselben Jahres auch. Überraschend strich der Stadtrat den Begriff „Willkürjustiz“. Dieser Umstand löste Protest beim zuständigen Historiker aus. Der Historiker erfuhr Rückhalt bei der Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten und der Regionalgruppe Dortmund der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen. Die Gedenktafel wurde am 13. November 1989 durch die Bürgermeisterin Wendzinski im Rahmen einer Gedenkveranstaltung enthüllt und ist heute an der alten Jammerpforte öffentlich zugänglich.